Dienstag, 26. Februar 2013

Ausser Kontrolle geraten?

Vielleicht haben Sie meinen Beitrag, mit dem Titel "Produktionsgehilfe Mensch" (in der SprechLichtung eingestellt im Januar 2012) schon gelesen, dann wissen Sie, dass m*ich die Zukunft meiner (Unserer:-)?) Spezies interessiert und fasziniert.

Obwohl Oliver-August Lützenich davon kaum mehr betroffen sein dürfte, aber dieses Interesse am Fortgang des Selbst und der anderen Selbste, steckt intrinsisch in Uns drinn.

Die Lebendigkeit ist in Richtung Zukunft aufgebaut. Die Zukunft ist ein so weites Feld, ist so unbeackert, ist so weitgehend offen, das macht Spass - mehr als die zunehmende Enge der Vergangenheit -, aber auch grosse Angst, sie zu "bespielen" und zu spekulieren.

Ich habe das bereits öfter hier in meinen beiden Blogs getan, in allen mir zugänglichen Richtungen der Wissenschaft, also auch in die Richtungen Physik, Chemie und Biologie (hier im Verantworten-Blog habe ich am 20.05.2012 einen Beitrag zur "synthetischen Biologie" eingestellt, der dazu passende, aber auch unpassende Film wäre: "Gattaca"), aber Hier und Heute geht es um unsere Beziehung zu den Maschinen, die Wir mitentwickelt (wieso nur mit-entw...? Weil doch auch wir Menschen "Produkte" einer Schöpfung sind und in mehr als einer Hinsicht bisher das tun, was Uns von der Natur vorgegeben wurde. Da mögen Sie jetzt Beschwerde einlegen, die bitte *ich Sie im Kommentar zu begründen, ansonsten gilt der aktuelle Stand der Wissenschaft und der besagt, dass Wir nur zu einem winzigen Bereich wirklich handeln wie und was Wir wollen, das Meiste Handeln ist nun mal vorbestimmte Vergangenheit, aber das können Wir ja ändern, denn Wir wissen immerhin schon mal, dass es so ist! Nun können Wir Irdischen also dem DaSein "ausser Kontrolle geraten", also der Fremd- und VorBestimmung entwachsen, Sie werden lesen, dass das in dem Artikel, den *ich unten eingestellt habe, in einem anderen Zusammenhang noch eine Rolle spielen wird.) haben, und zu einer möglichen Symbiose, einer möglichen Verschmelzung damit oder auch, in der Angst, um eine mögliche Überwältigung des Menschen durch die Maschinen.

Ich lebe diese Angst auch aus, Sie finden dazu Anmerkungen in vielen Texten dieser Blogs, aber *ich bin auch voller Zuversicht, dass die Maschinen Uns helfen, dass Wir sie für eine positive Weiterentwicklung nötig brauchen, dass Sie dazu erforderlich sind, weil Wir sonst in unseren archaisch / tierischen Umständen, unserer Herkunft, verbleiben müssen, ohne einen Sinn für das DaSein erfüllt zu haben. Und das wollen Wir doch, oder nicht?

DaZwischen ein wenig Archaik und ein wenig Verlassenheit des Menschen in der Natur.
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Edward Hopper, "[US]American Landscape"
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Aus der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), vom 11.06.2012, von Miriam Meckel.
Übertitel: Das Internet und wir

Titel: Vom Golem zum Googlem

Untertitel: Das Internet hat uns die Welt in bisher ungekannter Weise verfügbar gemacht. Mit seiner Nutzung sind wir indes selbst verfügbar geworden. Unsere Spuren finden ihren Weg in Datenzentren, wo aufgrund unserer Such-Präferenzen unser Zugriff aufs Netz formatiert wird. Werden wir bald selber ein Teil der Maschine sein?

Eine beachtliche Anzahl von Geschichten aus verschiedenen historischen Epochen hat ein und dasselbe Motiv: das vom Menschen geschaffene Wesen, das seinem Schöpfer schliesslich ausser Kontrolle gerät. Eine der bekanntesten Versionen ist der «Golem», das Geschöpf, das der Sage nach von Rabbi Löw und zwei Gefährten im Prag von 1580 in einer Lehmgrube nahe der Stadt am Rande der Moldau aus den vier Elementen Erde, Wasser, Feuer und Luft geschaffen wurde. Der Golem erwachte zum Leben, wenn der Rabbi ihm einen Zettel unter die Zunge legte, auf dem der Namen Gottes geschrieben stand. Dann erledigte der Golem sorgsam die ihm aufgetragenen Arbeiten. Doch einmal vergass der Rabbi, dem Golem den Zettel nach getaner Arbeit wieder aus dem Mund zu nehmen, und das Wesen begann, wie rasend durch die Strassen der Stadt zu laufen und alles zu zerschlagen. In einer Version endet die Geschichte damit, dass der Rabbi dem Golem schliesslich den Zettel unter der Zunge wegnimmt und zerreisst, worauf das Geschöpf in Stücke zerfällt.

Wollten wir eine moderne Version des Golem entwerfen, liessen sich einige Parallelen zur Originalgeschichte ziehen. Wir haben nicht die vier Elemente gebraucht, sondern im Wesentlichen eine Reduktion aus Siliziumdioxid und Kohlenstoff, um das Halbmetall herzustellen, das heute Träger unserer Daten und inzwischen auch Trägermedium wesentlicher Teile unseres Lebens ist. Und wir haben uns nicht damit zufriedengegeben, externe Hilfsgeschöpfe zu schaffen, sondern längst begonnen, selbst mit den Hilfsgeschöpfen zu verschmelzen. Wir werden eins mit unseren technischen Hilfsmitteln – vom Golem zum Googlem.
Verengung der Weltsicht

Natürlich ist das nicht im unmittelbaren Sinne zu verstehen. Wir Menschen sind Menschen, und Computer sind immer noch Computer, also Maschinen, die wir als Teil unseres Lebens betrachten, aber als einen Teil, der wesentlich von uns getrennt und nicht physisch mit uns verbunden ist. Die Frage ist: Stimmt diese Annahme noch, oder bewegen wir uns inzwischen auf eine neue Zeit zu, in der die Unterscheidbarkeit von Mensch und Maschine für uns immer schwieriger wird?

In seinem neuen Buch «Turing's Cathedral» (2012) schreibt George Dyson: «Facebook defines who we are, Amazon defines what we want, and Google defines what we think.» Das ist plakativ formuliert, aber es ist etwas Wahres daran. Nicht weil wir Menschen nicht mehr in der Lage wären, selbständig zu denken und zu entscheiden. Vielmehr weil wir zu einer Gattung gehören, die zwar intelligent, aber auch faul ist. Alles, was uns das Leben leichtermacht, akzeptieren wir gerne.

Das personalisierte Web liefert viele Angebote für mehr Bequemlichkeit. Google, Facebook und Amazon rechnen mit uns. Wir sind nicht nur die Abnehmer von Informationen und Produkten. Wir sind die Produkte selbst, denn wir werden als Datensätze zwischen den grossen Internetkonzernen und anderen Marktteilnehmern gehandelt. Das geht umso besser, je mehr über uns bekannt ist, denn dann können Informationen, Produkte und Erlebnisse genau auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten werden.

Für uns ist das äusserst bequem. Aber es führt auch zu einer Verengung der Weltsicht. Zufallsentdeckungen, die für das Lernen, für die Ausbildung von Toleranz und für einen Perspektivwechsel wichtig sind, werden aus unserer internetbasierten Informationswelt herausgerechnet. Das merken wir meistens gar nicht. Und deshalb machen wir es uns in unseren Präferenzgehegen gemütlich und werden immer mehr zu einer Reflexion dessen, was Suchmaschinen und andere Netzakteure als unser Profil errechnet haben. Heute ergänzen die meisten Menschen ihre Online-Erfahrungen mit Informationen und Begegnungen aus dem analogen Leben. Dort herrscht oft der Zufall: Wir treffen durch das Glück der unvorhergesehenen Erfahrung auf eine neue Information, eine neue Perspektive, einen anderen Menschen. Für die Generation, die im Internet erwachsen wird, könnte das anders aussehen. Sie werden sich ein Leben ohne Belieferung mit personalisierten Angeboten kaum mehr vorstellen können. Vor diesem Hintergrund kann das Netz noch immer nicht Gedanken lesen, aber die Datenanalysen können uns immer besser auslesen. Eric Schmidt von Google hat das einmal selbst auf den Punkt gebracht: «Wir wissen immer, wo du bist. Wir wissen, wo du warst. Wir wissen mehr oder weniger, was du denkst.»

Einen Schritt weiter geht die Verschmelzung von Mensch und Maschine zum wahren Googlem, wenn wir uns klarmachen, dass die Technologie immer weiter an den menschlichen Körper heran-, ja zuweilen in ihn hineinwächst. Eines der aktuellen Beispiele ist die kürzlich vorgestellte Google-Brille, die einen unserer menschlichen Sinne direkt mit dem Internet verbindet. Schon beim Zusteuern auf den Eingang zum U-Bahn-Schacht zeigt mir die Brille, das meine gewünschte Linie heute nicht verkehrt, um mir sodann gleich per GPS die Richtungsweisungen ins Blickfeld zu projizieren, wie ich dennoch ans Ziel kommen kann. Selbst der romantische Sonnenuntergang am Meer kann mit dem Partner geteilt werden. Ich muss ihn nur über die Brille zuschalten, dann sehe ich ihn als kleines Live-Bild in einer Ecke der Brille, und er sieht, was ich sehe: den Sonnenuntergang.

Vielleicht wird zukünftig auch gar kein Gerät mehr nötig sein. An der Carnegie Mellon University erforscht eine Gruppe von Wissenschaftern gerade den Einsatz von Infrarotstrahlennetzwerken, deren Technologie auf Ansätzen der Computerspiele-Industrie basiert. Betritt ein Mensch einen mit diesem Infrarotnetzwerk ausgestatteten Raum, so reicht es, wenn er seine Hand ausstreckt, um sie über die Infrarotstrahlen zu einem Display umzufunktionieren. Durch einfaches Tippen auf die Tasten, die auf meine Handfläche projiziert werden, kann ich ein Musikstück auswählen oder im Netz surfen. Wir brauchen kein Smartphone mehr. Der menschliche Körper selbst wird zum Joystick.

Schliesslich gibt es längst auch Implantate, über die unser Gehirn direkt mit externen Netzwerken kommunizieren kann. So werden RFID-Chips in Herzschrittmacher eingebaut, um zu kontrollieren, ob der Träger des Schrittmachers nicht plötzlich in Ohnmacht gefallen ist. Parkinsonpatienten werden Hirnschrittmacher eingesetzt, um das Zittern computergesteuert zu kontrollieren. Patienten mit solchen Implantaten erleben sich zwischen zwei Bewusstseinszuständen, zwischen denen sie hin und her schalten können. Ist der Schrittmacher eingeschaltet, geht das Zittern zurück, aber der Patient leidet unter Sprachstörungen und einer veränderten Stimmlage. Ist er ausgeschaltet, zittert der Patient, aber er hört sich vollkommen normal sprechen. Helmut Dubiel beschreibt dies in seinem Erfahrungsbuch «Tief im Hirn» eindrücklich: Während der Zeit, «in denen wir das Gerät abgeschaltet hatten, war mir, als ob in meinem Kopf ein PC eingeschaltet wurde, dessen Brummen und Klicken mir verhiessen, dass mein Gehirn arbeitete».

Der Mensch fühlt sich wie eine Maschine, wenn der Computer ausgeschaltet ist, und wie ein Mensch, wenn er angeschaltet ist. Das ist eine eindrucksvolle Veranschaulichung des paradoxen Paradigmas der Mensch-Maschine-Integration. Und es zeigt, wie wir unsicher werden darin, die Unterschiede zwischen Mensch und Maschine noch klar zu erkennen und zu benennen. – Warum paradox? Nicht nur deshalb, weil unsere Wahrnehmung von uns selbst durch den Einsatz des Computers verändert, ja offenbar zuweilen sogar radikal verkehrt wird. Eine weitere Paradoxie liegt auch darin, dass wir uns einerseits bemühen, das menschliche Gehirn immer sichtbarer, also zunehmend analysierbar und verstehbar zu machen. Das Blue-Brain-Project in Lausanne versucht etwa, das menschliche Gehirn zu entschlüsseln und es als virtuelles Replikat auf einem Supercomputer nachzubilden. Kürzlich hat eine Forschergruppe der Brown University Schlagzeilen gemacht, weil es ihr gelungen ist, querschnittgelähmte Patienten über Elektroden im Gehirn in die Lage zu versetzen, eine Roboterhand zu steuern. Das alles sind immer noch lediglich rudimentäre Ansätze zur Erforschung des menschlichen Gehirns und zum Zusammenspiel zwischen Gehirn und Körper. Aber die Fortschritte sind erkennbar. Und die Frage ist: Muss der Golem 2.0 wirklich die perfekte Integration von Mensch und Maschine bewerkstelligen, damit er Wirkung entfalten kann? Oder reicht es womöglich, dass wir ihn als Projektionsfläche, als unser aller Googlem, kennenlernen, um ihn als neue Instanz der Weltwahrnehmung zu akzeptieren?
Unsichtbare Schnittstellen

Das menschliche Gehirn wird also immer sichtbarer. Der technologische Fortschritt in der digitalen Vernetzung hingegen scheint den umgekehrten Weg zu nehmen: Die Schnittstellen zwischen dem menschlichen Körper und dem Gehirn auf der einen und dem Computernetzwerk auf der anderen Seite sollen unsichtbar werden. Wenn ich «A» denke, erscheint «A» auf dem Bildschirm. Wenn ich daran denke, einen virtuellen Ball im Computerspiel nach rechts rollen zu lassen, rollt er nach rechts. Ein Gedanke kann die Welt bewegen? Dieser Satz bekommt so eine ganz neue Dimension. Unser Körper muss nicht mehr Joystick sein. Wir müssen nur denken, was geschehen soll, und es geschieht – ermöglicht durch neuronale Implantate als Schnittstellen zwischen Gehirn und Computer.

Das alles sind grossartige Fortschritte in der technologischen Entwicklung, die es Menschen mit körperlichen Behinderungen oder anderen Erkrankungen möglich machen, wieder intensiver am Leben teilzunehmen und ein Stück ihrer Autonomie zurückzugewinnen. Es gibt allerdings auch einen Aspekt, der uns nachdenklich machen sollte. Diese drei Entwicklungen führen nämlich dazu, dass die Unterscheidbarkeit von Mensch und Maschine für uns zunehmend verloren geht. Nur wenige Menschen verstehen die Mechanismen des personalisierten Internets und können daher eine bewusste Entscheidung treffen, ob sie die dadurch generierten Informationen so haben wollen. Wenn sich die Technik direkt in unsere Sinnesbahnen schiebt, wird das Ergebnis unserer Wahrnehmung immer ein Hybrid aus dem Gesehenen und dem Hineinprojizierten sein, ohne dass wir wissen, was was ist. Unsere Gedanken steuern die Maschine, und die Maschine kann uns auslesen, ohne dass wir das beobachten können. Denn die Schnittstelle wird unsichtbar. Wir sind es ja selbst.

Das hat aus einer erkenntnistheoretischen Sicht weitreichende Konsequenzen. Der Mensch ist das einzige vernunft- und verstandbegabte Wesen, das eine selbstbezügliche Sinnreflexion vornehmen kann. Wenn er sich im Verhältnis zum Computer oder zu anderen Technologien befragt, beobachtet er bis jetzt immer auch eine Schnittstelle oder – in der Diktion der Systemtheorie – eine Differenz. Diese Beobachtung nutzt die Unterscheidung «Mensch contra Maschine», um eine der beiden Ausprägungen zu bezeichnen: «das ist der Mensch, das ist die Maschine». So gewinnen wir Information. Diese Beobachtung ist begrenzt durch das, was die Systemtheorie als «blinden Fleck» beschreibt. Der Mensch kann in der Beobachtung nicht sehen, dass er nicht sieht, was er nicht sieht. Die Integration der Mensch-Maschine-Schnittstelle ins menschliche Gehirn ist letztlich die materielle Verwirklichung dieses Beobachterproblems. Es bleibt nicht eine erkenntnistheoretische Prämisse, es wird zu einer materiellen Schranke der Reflexion im Verhältnis von Mensch und Maschine.
Der Gott des vernetzten Zeitalters

Und was bedeutet das schliesslich für unser soziales Zusammenleben? Adam Smith hat in seinem Werk über die «Theorie der ethischen Gefühle» argumentiert, der Mensch als eigennütziges Wesen sei dennoch zur moralischen Urteilsbildung befähigt. Zur Begründung seines Arguments entwirft Smith einen unparteiischen Zuschauer, dessen Position Menschen einnehmen, um das eigene oder fremde Handeln ethisch bewerten zu können. Kann der Mensch auch aus dieser «externen» Position die eigenen Beweggründe und Affekte noch nachvollziehen, so vermag er sie zu billigen. Gelingt dies nicht überzeugend, ist der Nachweis über die Moral im eigenen Verhalten negativ geführt.

Dieser «virtuelle» Prozess der «Objektivierung» eigenen Denkens ist eine stetige Prüfung für unsere Urteilskraft und den Abgleich zwischen individuellen und gemeinschaftlichen Interessen. Und diese Zumutung, innerhalb der eigenen, individuellen Sicht den Versuch der «Objektivierung» zu machen, gehört zum Menschen und ist wesentlicher Bestandteil unserer Sozialisation. In der unmittelbaren Vernetzung unserer selbst mit dem globalen digitalen Datennetz wird diese Anstrengung immer weniger nötig sein. Denn dort haben wir jederzeit eine generalisierte Auswertung der moralischen Lage von Digitalien zur Hand, die aus allen Präferenzen, Wünschen, Einschätzungen und Verhaltensweisen der anderen errechnet wird.

Das Netzwerk wird zum «unparteiischen Zuschauer» und zum Vergleichsmassstab unseres individuellen moralischen Verhaltens. Das führt nicht nur zu «Mainstreaming», sondern womöglich auch zu Intoleranz auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Und es birgt gar die Chance auf eine ethische Zwischenebene, die uns – gottgleich – signalisiert, was erwünscht und unerwünscht, zu tun oder zu lassen ist. Die Schnittstelle zwischen Entscheiden und Handeln ist ja direkt in unserem Hirn angesiedelt. Und sie ist für uns unbeobachtbar. Freeman Dyson hat diesen Prozess 1988 in seinem Buch «Infinite in all directions» beschrieben: «God is what mind becomes when it has passed beyond the scale of our comprehension.» Der Gott des total vernetzten Zeitalters ist der Mittelwert aus der Summe aller Berechnungen. Es ist der Googlem. Und damit sind wir es selbst.

Vielleicht ist das alles Unsinn. Vielleicht kommt alles anders. Denn eine Idee, die einmal in der Welt ist, ändert immer auch den Verlauf dieser Welt. In seinem Essay aus dem Jahr 1993 «The Coming Technological Singularity» schrieb Vernor Vinge: «Within thirty years, we will have the technological means to create superhuman intelligence. Shortly after, the human era will be ended.» Diese Prognose galt für das Jahr 2023. Wir dürfen spekulieren, ob die Chancen ihrer Verwirklichung noch gegeben sind oder ob Vinge sich geirrt hat wie so viele mit ihm.

Die Zeitschrift «New Yorker» hat kürzlich ihre Leser gebeten, Vorschläge für den allerletzten Tweet aller Zeiten zu machen. Sozusagen für das Szenario, wenn der neue Golem uns veralteten Menschen den letzten virtuellen Zettel aus dem Mund nimmt. Es sind viele schöne Ideen eingegangen, eine davon lautete: «Don't worry, all is well. It's just another new beginning.»

Miriam Meckel ist Professorin für Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen. Beim abgedruckten Text handelt es sich um eine leicht gekürzte Fassung des Vortrags, den sie letzten Donnerstag im Rahmen des NZZ-Podiums «Der Google-Mensch» gehalten hat.
Ende Artikel.

Samstag, 23. Februar 2013

Kunst-Gedanken

Als kunstinteressierter Mensch, als Selbst auch Kunst schaffender, ist es klar, dass *ich auch ab und an daran denke, was Kunst ist, wann Kunst ist, woher die Erregung zur Kunst kommt und was die Kunst bewirken kann und vielleicht auch soll?

Und sicherlich hole *ich dabei auch alte Gedanken und Urteile zur Kunst ein und davon gibt es fast soviele, wie es Künstl-Es und KunstInteressierte gibt. Also Milliarden Gedanken und Urteile, und Eins gilt es für mich noch zu betonen - weil Wir es ja so selten schaffen, etwas, nur etwas -> Distanz von uns Menschen -> zu uns Menschen zu erreichen, aber vielleicht tut gute Kunst ja genau das. Vielleicht?
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Ist das Mensch Kunst? 
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Dazu ein paar Gedanken zur Kunst vom französischen Philosophen Henri Bergson, aus seinem bereits 1900 erschienenen Traktat »Das Lachen«:

Frage: "Was ist der Zweck der Kunst?

Würde die Wirklichkeit unmittelbar an unsere Sinne und unser Bewusstsein rühren, könnten wir mit den Dingen und uns selbst in direkte Beziehung treten, so wäre die Kunst reichlich überflüssig. Oder aber, wir wären alle Künstler, dann würde unsere Seele fortwährend mit der Natur vibrieren."

Ende Auszug

Kunst, im Bergson'schen Sinne ist also auch oder sogar hauptsächlich ein Mittel der Abstands-Verkürzung zwischen den einzelnen MitGliedern des DaSein und der Realität im DaSein.

Fast möchte Oliver-August Lützenich meinen, dass es anders herum ist: Kunst ist eine Form der Abstands-Vergrösserung, damit das einzelne MitGlied mehr RaumZeit gewinnt, um das Ganze - und auch die Details des DaSein - und auch des Selbst-Sein besser zu bewerten. Besser zu bewerten braucht Vergleichs-Werte aus dem engen und weiteren In- und Umfeld, wie *ich das bisher fühle. Aber das ist nur eine Einzel-Meinung.

Dabei möchte *ich betonen, mir geht es hier um die menschliche Kunst, denn auch unsere Mit-Lebewesen schaffen Kunst, müssen Kunst schaffen, denn Kunst ist nichts nur-menschliches.

Menschliche Kunst ist fast nur nur-menschlich, ich bin fast soweit dem menschlichen Begriff "Künstl-Es" den Inhalt >Mensch< zu geben, nur einfach "Mensch" und somit dem Begriff "künstlich", den Inhalt "menschlich" und dem Wort "Künstlichkeit" den Inhalt ... aber gut, das haben Sie inzwischen auch selbst erledigt.

Und ich bin bei der Suche nach stimmigen Urteilen und Gedanken zur Kunst auf wahrliche Lustigkeiten und fast sensationellen Blödsinn aufmerksam geworden, aber da Jedes zu Jedem auch ein Urteil und ein paar Gedanken formen darf, kommt unweigerlich auch viel Unsinn herein, aber auch viel wahrlich stimmiges, ja sogar schönes dabei heraus. "Schönes", ist ein Urteil, aber die Kunst selbst ist weder schön noch hässlich, sie ist so umfangreich, wie es das DaSein ist und wie es das Mensch darin fast ebenso ist.

DaZwischen: Das "Ei des Kolumbus"

Da stand ich so oft neben Menschen oder war sogar mit Ihnen unterwegs, und das beschämendste ist, zuzugeben, dass ich selbst auch einmal so war, ja, da stand ich also ungezählte male neben Menschen oder war sogar mit Ihnen und hörte, beim Blick auf Kunst, in die Lebendigkeit hinein oder auf andere Menschen, den Satz: "Das könnte ich auch. Das ist doch leicht, was soll daran schwierig oder sogar Kunst sein". Ja, und immer dachte ich, irgendetwas stimmt an dieser einfachen Feststellung nicht, irgendwas ist daran falsch, aber ich wusste keine Antwort darauf, weder eine Entgegnung noch eine Erwiderung. Ich blieb einfach stumm in meiner Irritation, und der ahnungsvollen Gewissheit, dass das so einfach nicht sein kann. Bis ich endlich diese Geschichte hörte:

Christoph Kolumbus wird nach seiner Rückkehr aus Amerika während eines Essens bei Kardinal Mendoza im Jahr 1493 vorgehalten, es sei ein Leichtes gewesen, die „Neue Welt“ zu entdecken, es hätte dies schließlich auch Jedes andere vollführen können. Daraufhin verlangt Kolumbus von den anwesenden Personen, ein gekochtes Ei auf der Spitze aufzustellen. Es werden viele Versuche unternommen, aber niemand schafft es, diese Aufgabe zu erfüllen. Man ist schließlich davon überzeugt, dass es sich hierbei um eine unlösbare Aufgabe handelt, und Kolumbus wird darum gebeten, es selbst zu versuchen. Dieser schlägt sein Ei mit der Spitze auf den Tisch, so dass sie leicht eingedrückt wird und das Ei stehen bleibt. Als die Anwesenden protestieren, dass sie das auch gekonnt hätten, antwortete Kolumbus: „Der Unterschied ist, meine Herren, dass Sie es hätten tun können, ich hingegen habe es getan!“

Ursprünglich war die Anekdote vom Ei des Kolumbus von dem italienischen Künstler Giorgio Vasari (1511 – 1574) auf seinen Landsmann Filippo Brunelleschi (1377 – 1446, auch einer der Entdecker (Erfinder?) der perspektivischen Malerei, also des räumlichen Eindrucks (3D) auf einer zweidimensionalen Fläche. Diese Entdeckung wird vielfach auch seinem Künstlerkollegen dem Maler Masaccio (1401 -1428, eigentlich: Tommaso di Ser Cassai) zugeschrieben, aber?) gemünzt worden. Dieser Baumeister soll durch die Lösung des „Ei-Problems“ den Auftrag zum Bau der Kuppel des Doms Santa Maria del Fiore erhalten haben. Das würde die Anekdote jedenfalls passend machen, da die Domkuppel in Florenz augenscheinlich an die Form eines Ei's erinnert, das an der Spitze aufgestoßen ist.

Die Verbindung mit Kolumbus geht auf Girolamo Benzoni zurück, der die Anekdote in seiner Schrift über die Geschichte der Neuen Welt (Historia del mondo nuovo, Venedig 1565) in der Kolumbus-Version erzählt, dabei aber einräumt, dass er die Sache nur vom Hörensagen kannte.

Dank auch an Wikipedia für die obigen Informationen.

Es gibt Kunst, finde *ich, die ist einfach dumm, weil in dieser Kunst so wenig Wissen und Weite enthalten ist - bestenfalls nur Dekoration -, und es gibt Kunst, in der ist so viel Wissen und Weite enthalten, dass sowohl das Künstl-Es, als auch die Betracht-Es oder sonstwie wahrnehmenden Menschen es kaum mehr ertragen können.
Dumme Kunst ist zum Beispiel die blosse Verschönerung und Vergrösserung von Symbolen oder Zeichen, wie dem HerzSymbol, oder auch in Metall aufgeblasene Luftballon-Kunst. Dumme Kunst ist aber zumindest oft dekorativ, ohne Zweifel, sie schmückt und ist schön bunt und vielleicht auch schön gross, und auch sehr sehr teuer, aber dann steht das da, was die Kunst ist und spricht ... nichts, und bedeutet ... nichts.

Dekoriert halt einfach.

Und *ich weiss, das ist manchmal viel, aber bei dummer Kunst eher wenig, aber es ist oft wenigstens schön anzuschauen, wenn es auch wenig bedeutet, wie zum Beispiel auch die beiden folgenden Gedanken und Urteile deutscher "Künstler" der näheren Vergangenheit, die ansonsten aber ziemlich viel Wirbel gemacht haben und noch machen und deren Gedanken und Urteile immer noch in vielen Menschen eine Heimat finden.

Denn, wenn ich manche Menschen vor Kunstwerken stehen sehe und diesen Menschen zuhöre, bekomme ich immer noch das folgende oder auch nur schmal abgewandeltes zu hören, wie auch das oben eingefügte "Ei des Kolumbus"; und diese Menschen haben doch auch Recht, Kunst (Dekoration?) hat auch so zu sein und ist auch so, wie diese zwei Menschen die gleich unten zu "Wort" kommen, sie fordern, aber gute Kunst ist es jeweils nicht, aber so ist das eben mit dem Recht haben, das ist nahe bei der Rechthaberei und die ist nie schön, besser ist es im Recht zu sein, aber das sind nur sehr wenige Menschen, die meisten haben es, diese zwei Menschen hatten es auf jeden Fall:

Kaiser Wilhelm II, zur Kunst, am 18.12.1901: »Wie ist es mit der Kunst überhaupt in der Welt? Sie nimmt ihre Vorbilder, schöpft aus den großen Quellen der Mutter Natur, und diese, die Natur, trotz ihrer großen, scheinbar ungebundenen, grenzenlosen Freiheit, bewegt sich doch nach den ewigen Gesetzen, die der Schöpfer sich selbst gesetzt hat, und die nie ohne Gefahr für die Entwicklung der Welt überschritten oder durchbrochen werden können.

Ebenso ist's in der Kunst; und beim Anblick der herrlichen Überreste aus der alten klassischen Zeit überkommt einen auch wieder dasselbe Gefühl; hier herrscht auch ein ewiges, sich gleich bleibendes Gesetz; das Gesetz der Schönheit und Harmonie, der Ästhetik. Dieses Gesetz ist durch die Alten in einer so überraschenden und überwältigenden Weise, in einer so vollendeten Form zum Ausdruck gebracht worden, daß wir in allen modernen Empfindungen und allem unseren Können stolz darauf sind, wenn gesagt wird, bei einer besonders guten Leistung: 'Das ist beinahe so gut, wie es vor 1900 Jahren gemacht worden ist.'

Aber beinahe! Unter diesem Eindrucke möchte Ich Ihnen dringend ans Herz legen: noch ist die Bildhauerei zum größten Teil rein geblieben von den sogenannten modernen Richtungen und Strömungen, noch steht sie hoch und hehr da - erhalten Sie sie so, lassen Sie sich nicht durch Menschenurteil und allerlei Windlehre dazu verleiten, diese großen Grundsätze aufzugeben, worauf sie auferbaut ist!

Eine Kunst, die sich über die von Mir bezeichneten Gesetze und Schranken hinwegsetzt, ist keine Kunst mehr, sie ist Fabrikarbeit, ist Gewerbe, und das darf die Kunst nie werden. Mit dem viel mißbrauchten Wort Freiheit und unter seiner Flagge verfällt man gar oft in Grenzenlosigkeit, Schrankenlosigkeit und Selbstüberhebung. Wer sich aber von dem Gesetz der Schönheit und dem Gefühl für Ästhetik und Harmonie, die jedes Menschen Brust fühlt, ob er sie auch nicht ausdrücken kann, loslöst und in Gedanken in einer besonderen Richtung, einer bestimmten Lösung mehr technischer Aufgaben die Hauptsache erblickt, der versündigt sich an den Urquellen der Kunst.

Aber mehr noch: Die Kunst soll mithelfen, erzieherisch auf das Volk einzuwirken, sie soll auch den unteren Ständen nach harter Mühe und Arbeit die Möglichkeit geben, sich an den Idealen wieder aufzurichten. Uns, dem deutschen Volke, sind die großen Ideale zu dauernden Gütern geworden, während sie anderen Völkern mehr oder weniger verloren gegangen sind. Es bleibt nur das deutsche Volk übrig, das an erster Stelle berufen ist, diese großen Ideen zu hüten, zu pflegen, fortzusetzen, und zu diesen Idealen gehört, daß wir den arbeitenden, sich abmühenden Klassen die Möglichkeit geben, sich an dem Schönen zu erheben und sich aus ihren sonstigen Gedankenkreisen heraus- und emporzuarbeiten.

Wenn nun die Kunst, wie es jetzt vielfach geschieht, weiter nichts tut, als das Elend noch scheußlicher hinzustellen, wie es schon ist, dann versündigt sie sich damit am deutschen Volke. Die Pflege der Ideale ist zugleich die größte Kulturarbeit, und wenn wir hierin den anderen Völkern ein Muster sein und bleiben wollen, so muß das ganze Volk daran mitarbeiten, und soll die Kultur ihre Aufgabe voll erfüllen, dann muß sie bis in die untersten Schichten des Volkes hindurchgedrungen sein. Das kann sie nur, wenn die Kunst die Hand dazu bietet, wenn sie erhebt, statt daß sie in den Rinnstein niedersteigt.«

Recht hat Er doch, oder etwa nicht?

Was für eine bornierte Engstirnigkeit!

In die aber auch so gar keine Fülle passte, keine ausgreifende Weite und Erkenntnis der Vielfalt, dieser Mann war eine intrinsische Höhle mit magerer Beleuchtung und nur einer Schiessscharte als Ausblick und Lufteinlass. Ein Mensch des damaligen Volkes, oder?

Wissen Sie, ein Mensch mag ja in das RaumZeit weit herumkommen, geradezu Kilometer fressen und bis an der Rand des Universums reisen, was nützen all diese Reisen und die Kilometer, wenn Es dabei von den inneren Prozessen, von der inneren Logik und von der Verarbeitungstiefe und vom Verständnis dessen, was Es da wahrnimmt, immer nur in der Höhle mit der Schiessscharte verbleibt? Wenig bis Nichts; und das ist meist noch viel weniger: Begreiffen tut ein-Es, das in der Höhle haust nur sehr sehr wenig, es bleibt nur bei blosser Rechthaberei. Und die ist ja nun beileibe sehr stark verbreitet.

Und auch der nun folgende, hatte alles Recht auf-s einer Seite und setzte einfach nur fort, was Wilhelm II vorlegte:

Adolf Hitler, 1935, in einer Rede zur Kunst, als Förderung der VolksGesundheit, auf dem Reichsparteitag der NSDAP:

»Die Kunst muss, um ein solches Ziel zu erreichen, auch wirklich Verkünderin des Erhabenen und Schönen und dadurch Trägerin des natürlichen und gesunden sein. Es ist nicht die Aufgabe der Kunst im Unrat, des Unrates wegen zu wühlen, den Menschen im Zustand der Verwesung zu malen, Kretins als Symbol der Mutterwerdung zu zeichnen und krumme Idioten als Repräsentanten der männlichen Kraft hinzustellen.
Der hat wohl keine Ahnung, dass es nicht die Aufgabe der Kunst ist, den Menschen an seine Degenerationserscheinungen zu erinnern, als vielmehr den degenerierten Kunsterscheinungen durch den Hinweis auf das ewig Gesunde und Schöne zu begegnen.«

Na, haben Sie es durchgehalten?

Es ist mir einigermassen sehr schwer gefallen diese Enge länger als einen Satz auszuhalten, *ich habe DaZwischen immer mal wieder Pause gemacht und Luft geholt. Tief einatmen und gewahr werden, dass das fast schon vorbei ist, hier in diesen Breiten des Nordens, aber Sie wissen, ganz vorbei ist es woanders noch nicht, setzen Sie diese oberen Zeilen irgendeinem Menschen vor und warten Sie dessen Mimik ab, stimmt Es zu, na dann wissen Sie, es ist noch am köcheln und ich vermute, Sie finden noch so sehr sehr Viele die Nicken werden, wenn sie die Enge von Oben in der persönlichen Enge wieder finden.

Wie ist das Obere mit der Idee von Henri Bergson oder meiner Ansicht zu bewerten?

Aber nun zu etwas weiterem:

»Ich bin kein Künstler. Ich bin ein Psychopath. Und benutze nur hie und da die künstlerische Form, um mich zum Ausdruck zu bringen. Ich will nur meine Seele offenbaren, dieses jammernde Tier, welches ständig nach Hilfe schreit!«

Da hat Einer aber deutlich die Enge der "Schönheit" verlassen und das Weite gesucht und es in der "Hässlichkeit" auch gefunden. Nur Worte, aber mit Bedeutung. Denn, was Uns stört, was schmerzt und sogar Angst macht: IST, ist da und ist allemal die Betrachtung auch der Kunst wert, weil es Uns auch ausmacht und ausfüllt und in Gang setzt und das nicht zu wenig!

Beste Kunst ist die RundUmWahrnehmung, und nicht nur dieses Äusseren, beste Kunst ist das volle Gefühl noch dazu, erst dann ergibt ein Werk auch beste Kunst; und verdammt!, aber das haben bisher nur ganz wenige Menschen / Künstl-Es erschaffen.

Der folgende hat es in Ansätzen, aber nicht ganz, aber ich zeige ein Bild, weil es zum obigen Zitat passt und diesen Ansatz der besten Kunst nahezu erfüllt. Meinem bescheidenen und sehr persönlichen Urteil nach, das ist auch klar.
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George Grosz:
"Widmung an Oskar Panizza" 
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Zum Bild: Der Tod sitzt auf einem Sarg und trinkt auf die wahnsinnig gewordene Menschheit. Den Leichenzug bilden Pfaffen, Syphilliskranke, Soldaten, Generäle, Bürger und Patrioten (was ziemlich nahe bei Idioten wohnt), während eine Gestalt, in einer Kutsche (oben rechts) aus einem anderen Jahrhundert, das Weite sucht. Vielleicht die "Vernunft", vielleicht auch der Maler, vielleicht aber Oskar Panizza, oder Sie?

Und jetzt die Gedanken und der Hintergrund eines Künstlers, der ein "grosser Künstler" war und in zumindest einem Augenblick auch beste Kunst geschaffen hat:

Pablo Picasso: »Die Kunst ist niemals keusch. Man sollte sie unschuldigen und unwissenden verbieten. Und nur diejenigen mit ihr in Verbindung bringen, die auch ausreichend vorbereitet sind.
Ja, die Kunst ist gefährlich und wo sie das nicht ist, wo sie keusch ist, ist sie keine Kunst.«

Dazu eine kurze Wortkunde.

keusch: Das Adjektiv wurde im Rahmen der frühmittelalterlichen Christianisierung aus einem gotischen Wort der Kirchensprache -'kuskeis'- übernommen, was in etwa "der christlichen Lehre bewusst" hiess. Aus dieser Bedeutung entwickelte sich der heute nur noch wenig gebräuchliche (benutzte) Wortsinn: "tugendhaft, sittsam, enthaltsam, rein".

Danke dem Duden.

Die Kunst findet selbst in der grössten Enge noch ein Plätzchen.
Die schöne Kunst folgt dem DaSein.
Die dekorative Kunst verschönert das DaSein.
Beste Kunst ist dem aktuellen DaSein einen Schritt voraus.
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Pablo Picasso,
"Les Demoiselles d'Avignon"
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Eines der wenigen Werke in denen Picasso beste Kunst geschaffen hat und somit der damaligen Stimmung und Gesamtsituation der Menschheit einen kleinen Schritt voraus war.


Einen kleinen.
Aber bald kam Marcel Duschamp, und Der war es einen Ganzen.


Künstlichkeit ist Menschlichkeit. Schon alleine deswegen steckt in der Kunst die ganze Palette und Vielfalt des Menschen, also auch dessen Einfalt und die ist noch viel grösser als dessen Möglichkeit zur Vielfalt. Die Kunst ist also vorwiegend einfältig und nur dekorativ, wie es die meisten Menschen leider noch sind.

Mensch!, ich bin doch auch ein-Es, *ich schaue doch zuallererst auf Oliver-August Lützemich und bin erschrocken, was noch alles geht, ich aber nicht kann, immer im Vergleich mit anderen Menschen, mit deren Künstlichkeit und auch Kunst, und die Verschiedenheit und auch der Unterschied auf irgendwelchen Listen ist noch riesig, obwohl ich weiss, dass ich das Potential dafür genauso bin, wie Jene, die neben mir erLeben oder in vielen Listen über mir stehen. Und das gilt für Uns Alle. Wieso ist das DaSein eine Schleppe, vorne angehängt mit einem Seil an einem Schlepper und dahinter immer breiter immer mehr und vorne, am Schlepper (Was immer das auch wäre?) nur jeweils sehr wenige?

Sollte ich rücksichtslos sein und fühlen und somit auch denken: "Scheiss auf die Anderen, ich warte nicht mehr drauf, dass Die mitkommen und begreifen - was im DaSein und auch im Menschen steckt, und was Wir daraus machen könnten -, ich tue es jetzt für mich, nur für mich, und lass die vielen Ander-Es in der Schleppe hängen! Sollen Sie dort doch blosses Anhängsel sein, unbedeutend bleiben ... aber halt; was ist mit der Technik?
Die Technik ebnet alles ein, Berühmtheiten schrumpfen ein, die Wissensaufnahme und -ansammlung in und um nur Einzelne[s] herum, nimmt ab.

Alles wird für Alle verfügbar und stets abrufbar sein, das Netz wird immer feiner und dichter und vor allem auch VOLLER Informationen! Vielleicht sorgt ja das DaSein dafür, dass die Schleppe bald abgeworfen werden kann. Nur, wo bleiben Wir irdischen Lebewesen dann?

Aber das ist nur eine zweifelhafte Einzelmeinung, weil die Frage ja ist, ob ich das überhaupt schon beurteilen kann?
Bis hierher soweit, weil das, wie Alles, ein fast unendliches Thema ist, über das Mensch abermillionen Seiten schreiben könnte und noch zu keinem Ende käme, solange das DaSein existiert, und das tut es hoffentlich noch sehr sehr lange. Danke.

Den zweiten Teil dieser persönlichen Kunst-Gedanken finden Sie hier:

Donnerstag, 21. Februar 2013

Dank an Durs Grünbein

Ich habe es in *mir, dieses Gefühl, diese Tragik, diesen tiefen inneren Ansporn, aber die Worte, das Alles zu beschreiben, auf sanfte, auf belesene und erfahrene, auf beruhigte, auf souveräne Art und Weise ist *mir nicht gelungen.

Ich bin dabei, eine ganz persönliche Stimmung, Stimme und Meinung zu finden und dabei helfen *mir und mit, - wie Allen Anderen auch -, die Anderen, die auch suchen und irren und finden und erkennen und weiter blicken, als es Normal ist. Einer davon, nur Einer, denn es sind so VIELE!, aber diesen habe *ich gerade wieder erlesen, ist Durs Grünbein.
Um dessen Gedanken zur aktuellen Lyrik und zum Denken selbst nicht zu vergessen und für Interessierte, habe *ich sie hier auch eingestellt.

Aber DaZwischen ein unpassendes Bild, aber ein passendes für diese Jahreszeit.
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Was m*ich kennt, weiss, wie sehr *ich die
Schönheit vieler Pflanzen bewundere
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Aus der Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom 26.05.2012, von Durs Grünbein

Titel der Print-Ausgabe: Fussnote zu mir selbst

Ich habe die Straße der modernen Poesie an ihrem oberen Ende betreten, dort, wo sie überging in die schmucklosen, tristen Vorstädte, bei den Endhaltestellen der Straßenbahnen, den Autobahnzufahrten. Was ich als Erstes sah, waren graue Mauerstücke, Lücken zwischen den Häusern, Gräben entlang der Straße, das Erdreich aufgerissen, zerwühlt. Meine Heimatstadt war vom Krieg zerstört.

Ich musste feststellen, dass zuletzt beinah alles auf der Strecke geblieben war: die Versformen, der Grundrhythmus der Strophen, die großen balladenhaften Spannungsbögen, der Geheimnischarakter, die feine Lineatur der bedeutungsreichen Worte, schließlich die Poesie selbst. Wenn jemand erklärt hätte, sein Dichten verfolge die Absicht, dem Ausdruck Klarheit zu verschaffen, dem Versbau Bedeutung, dem Klang der Worte Anmut und Leben, man hätte ihn ausgelacht. Es galt als abgemacht, dass das meiste, was die konventionelle Lyrik bereithielt, nurmehr Plunder war, etwas Unbrauchbares, das dem direkten Ausdruck im Wege stand. Ich las Rimbauds Schilderungen von seiner Jahreszeit in der Hölle und nahm es als realistischen Bericht, die Umwelt darin war mir vertraut. So fing mein Dichterleben an.
Es war eine Befreiung, die den innersten Kern des Poetischen sprengte und dabei ungeahnte Kräfte freisetzte. Wer sich mit der Musik vieler Jahrhunderte angereichert fühlte, mochte getrost dem Lockruf ins Offene folgen, er würde sich in der nackten Gegenwart aufgehoben fühlen wie in Abrahams Schoß. Wer sein Vertrauen zum Wort behielt, dem kam nun die Komik, die allem Ausdruck innewohnt, von allen Seiten zu Hilfe, und das Absurde war ihm ein Trost. Über die Grenzen der geschlossenen Gesellschaft hinaus

Es hatte sich erwiesen, dass Gedichte mehr sind als feststehende Rituale in lange befestigten Formen. Mochten sie auch ihre Würde dem uralten Status der Elegie verdanken, sie waren doch mehr als nur Verlust- und Vergänglichkeitsbilanzen, Feiertagsgeschenke oder Zutat auf Trauerannoncen. Seit den Tagen der frühen Moderne war jeder Stilbruch erlaubt - im Namen der Überraschung. Ausdruck war nun etwas Unmittelbares, man erzwang ihn durch Inkongruenz, Disharmonie, gewagte Sprünge, die Kombination des scheinbar Unvereinbaren. Damals hat das Gedicht, mit einem verführerisch jungen Lächeln, all seinen zeremoniellen Befangenheiten adieu gesagt. Damals hat es, neben den entlegeneren Nerven, auch seine Muskeln entdeckt, sein freches Grinsen, die Süße, die in der Zerstörung der Formen lag. Den Verlust seiner Schmuckfunktionen sollte, wie sich zeigte, ein Zuwachs an Mimik aufwiegen, eine erhöhte Alarmbereitschaft für die kleinen tragischen wie die großen komischen Dinge des Lebens. Der Augenblick zog in das Gedicht ein, sein Stilmerkmal war das scharf beobachtete Detail. Und wachsam hielt er von nun an dort die Stellung, im Zentrum des Gedichts, misstrauisch gegen die dunklen Heere der hysterischen Ideen, mit ihrem Potential, alles ringsum zu verwüsten.

Nach vielen Jahren ununterbrochener Praxis kann ich sagen: Das Gedichteschreiben ist wohl zuallererst eine Übung in radikaler Selbsterforschung. Es wendet sich gegen die Generalisierungen. Es unterläuft den Roman der Geschichte, die immer kollektiv voranschreitet, rechthaberisch in ihrem Anspruch, den Einzelnen mit seinen Eigenheiten zu vereinnahmen. Dagegen steht das Gedicht, das aus den Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts gelernt hat. Ich erinnere mich, dass ich der großen Erzählungen sehr müde war, schon am Beginn, als ich anfing, regelmäßig zu schreiben.

Ich war siebzehn, als ich mit der modernen Poesie mein Glück versuchte. Es war wirklich nichts Besonderes. Man kratzte sein weniges Erspartes zusammen und setzte auf ein paar magere Zeilen. Ich begann mit einer einfachen Lektion. Sie betraf diesen Körper - das Einzige, was der Staat, in den ich durch genetischen Loswurf hineingeraten war (der glorreiche Arbeiter-und-Bauern-Staat DDR), beschlagnahmen konnte, indem er mich zum Militär einberief und in die Großbetriebe zur Produktion. Dann fand ich bei dem jungen Ossip Mandelstam den Vers: „Man gab mir einen Körper - wer / sagt mir, wozu? Er ist nur mein, nur er“, und fortan war es um mich geschehen. Aus der Sicht dieses Körpers musste etwas getan werden, wollte man nicht als Gefangener enden eines Regimes, das auf ebendiesen Körper Anspruch erhob, indem es ihm geographische Grenzen setzte, ihn disziplinierte und als Geisel einbehielt für etwas, dessen es anders nicht habhaft wurde - nennen wir es Ich oder Seele oder Bewusstsein. Dafür, dass es dies Unfassbare, stets Unzuverlässige nie ganz vereinnahmen konnte, rächte es sich mit der Beschlagnahmung jenes, der nur allzu sichtbar war, eine leichte Beute. Not macht erfinderisch: Das Schreiben war damals mein erster Schritt über die Grenzen des Körpers und der geschlossenen Gesellschaft hinaus.

Einsiedler inmitten der Gesellschaft

Jede Generation entwickelt ihre eigene Sensibilität, heißt es. Man versteht dies unmittelbar, wenn man eine Gruppe junger Menschen beobachtet, dem Krachen ihrer Skateboards lauscht, ihren angesagten Songs zuhört, ihre Gesten studiert. Es ist eine neue Art, auf der Welt zu sein und auf diese zu reagieren. Die Landstraße mag noch dieselbe sein, aber die Kinder, die sich auf ihr zum Spiel verabreden, sind andere, sie sprechen andere Sätze, ihre Träume haben sich verändert - wohin, wird die Zukunft zeigen. Genauso verhält es sich mit der Poesie. Über diese schlichteste und zugleich rätselhafteste aller Künste hat Jean Cocteau gesagt: „Sie ist unerlässlich, aber ich weiß nicht genau, wofür.“ An dieser Unbegründbarkeit liegt sehr viel. Sie ist vermutlich sogar die Essenz der Sache, darum bleibt das Zitat auch über die erste Erheiterung hinaus gültig.

Was ihre Gegenstände betrifft, so sind sie tatsächlich uralt und bei allem Variantenreichtum beinah stereotyp, wie es scheint. Es sind die Liebe, das Begehren, das Rätsel der Zeit, die Schocks der Erkenntnis, die einer am eigenen Leib macht - und der immer wiederkehrende Glücksmoment, sich als Teil des Universums lebendig zu fühlen. Dies drängt im Gedicht zur Sprache, koste es, was es wolle. Aber es ist das spezifische Erlebnis eines Einzelnen, das hier für Abwechslung sorgt und die Dinge von Zeit zu Zeit neu erstrahlen lässt - so noch nie zuvor angeschaut.

Heute kann ich hinzufügen: Der Dichter ist wirklich das Wesen, das seinem Leitstern folgen muss, seinem daimon, wie es in der Sprache des Sokrates hieß. Dass es ein Philosoph war, der mit dem Ausdruck auf der Rolle des Individuums beharrte, sagt uns, wie eng das Erwachen der Persönlichkeit im frühen Griechenland mit dem Erwachen des Geistes einherging. Niemand sollte sich von der später so bequemen Trennung in Dichten und Denken irremachen lassen. Besser, man geht von einer Arbeitsteilung aus, die am Ende allen zugute kommt. Der Dichter muss seiner eigenen Traumwirklichkeit folgen, nicht selten auch seiner abgründigen Psyche, wie es alle die Zerrissenen taten, die sich ins goldene Buch der Menschheit eintrugen - hier hat jeder seinen Favoriten parat. Der Dichter ist einer, der lernen musste, allein zu sein, nonkonform, keinem verpflichtet - keiner äußeren Macht, keinem höheren (religiösen oder philosophischen) Prinzip, nicht einmal einer vorherrschenden literarischen Strömung. Er wird aber, bei aller sozialen Kontaktfreudigkeit, auch dann noch der Einsiedler inmitten der Gesellschaft sein, wenn alle Religionen, alle demokratischen Ideale zu kollektiver Routine verkommen sind.
Die Unabhängigkeitserklärung der Poesie

„Dichtung ist der Triumph der Kontemplation“, sagt Wallace Stevens, und er tat es mit herausforderndem Blick auf die Philosophie. Das erinnert an das platonische „Selbstgespräch der Seele“, das bei den Griechen begann, nein, früher noch, im Alten Ägypten mit dem lyrischen Liebesgeflüster einiger Hofdamen, und im Grunde nie aufgehört hat. Dieses Selbstgespräch, unter Einbeziehung eines heimlichen Mitwissers, als welcher der Leser ins Spiel kommt, sobald das Gedicht das Licht einer Buchseite erblickt, ist die Grundbewegung, der innerste Antrieb der Poesie.

Dabei gilt: Die poetische Wirklichkeit ist eine andere als jene, die uns unterm Namen Realität immer neu verkauft werden soll. Sie ist zugleich flüchtiger und dauerhafter als diese. Sie legt sich nicht mir ihr an, warum auch? Sie sieht das Fadenscheinige jeder Realität, die menschlichen Konstruktionen dahinter und überwindet sie spielend mit Hilfe der Imagination. Sie erzieht den, in dem sie erwacht, zum permanenten Widerstand gegen den Fatalismus der Fakten und ist damit politischer als jede Politik. So ist die Unabhängigkeitserklärung der Poesie auch mehr als ein bloßer ästhetischer Akt. Sie verdeutlicht das Lebensprinzip, dem jeder Mensch, wie verstrickt und von den Umständen korrumpiert er auch immer sich durchwindet, in der Sehnsucht doch folgt, ob er nun schreibt oder nicht. Das Wagnis der Dichtung besteht nur darin, dass sie dies demonstrativ tut, für jeden nachprüfbar, der an der unvergesslichen Wendung, der Aussagekraft von Metapher und Gleichnis einen Halt zu finden sucht, während Zeit ihn davonreißt. Dichtung ist die Garantie dafür, dass es sich gelohnt hat, die Muttersprache zu erlernen. Wenn es ihr gelingt, findet sie hin und wieder das schlagende Bild, das auf der inneren Retina bleibt und einen lebenslang schützt und begleitet.
Ende FAZ-Text.

Dienstag, 19. Februar 2013

Deutsch-trunken

Oh weh, es tut mir weh, übers Deutsche Sein zu schrei'n, übers deutsche Sein einen Abgesang zu schreiben, übers Deutsche weh, übers deutsche Juchee, so oft schon beklagt und abgeschworen und doch noch aktuell, durch alle Krisen und immer noch die Frage, was so besonders ist am deutschen Klagen, am Deutsche ach so weh, am deutschen juhuu und Juchee, die Jungen könnens kaum mehr hören und sind so international, ob das wohl von Bedeutung ist das International, wo doch kaum ein-Es schon europäisch ist, was europäisch ist, was national nicht sein darf, weil klein ist und doch ist und *ich hier ist deutsches und möcht es so gerne vergessen, möcht einfach Mensch sein und darf noch nicht, weil fast Alle anderen noch national sind, ohh, wie gerne wüsst *ich, was so speziell ist am National daSein, am hier und mir Deutsch-daSein?
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Schumannstr. 13 in Berlin
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Ist die Selbst-Zufriedenheit eine Deutsche Grösse?
Bestimmt, aber eher weniger in den deutschen Dichtern: "... denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht.", oder?
Lassen Sie den Heine in Ruhe, hatte er nicht vielleicht Recht!? In den deutschen Dichtern, egal aus welchem RaumZeit-Alter, wenn sie etwas weiter gereist waren, also etwas herumgekommen sind in Europa oder sogar noch weiter, legte sich bei der Heimkunft jeweils so ein Schleier der Larmoyanz über die HeimatLiebe, ach und och und weh ...

Trunken vor Freiheitslust ward das Mensch, sobald Es das heimatliche Ei verlassen hatte; und konnte das anders-daSein kaum erwarten und manchmal auch kaum aushalten, das anders Mensch-daSein, als deutsches Mensch daSein, fränzösisches Mensch daSein zum Beispiel, römisches Mensch daSein, auch gerne griechisches Mensch daSein (verzeihen Sie, aber *ich spreche auch von einer RaumZeit auch vor der Krise und die ist wesentlich länger, als die RaumZeit der momentanen Krise und da galt das Griechische ganz vergangenheits-trunken und aktualitäts-vergessend, als die nächste Nähe zum Paradies), ziemlich unausstehlich wurde einem der Rückblick von GrossBritannien aus, so frei, so weit, so derb, aber auch so zart, wirklich zart!, nicht dieses blümerante "zart" sein, wo ein-Es vor lauter drögen Andeutungen fast erstickt, ja von Ferne gefror ein-Es oft der Blick und wenn Es dann wieder zurück kam, in die Kleinheit, in die Enge des Zuhause, passierte vielleicht auch folgendes mit einer Dichterseele; einem DichterVerstand lief dann gerne auch mal das Fass über:
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Friedrich Hölderlin
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Aus Friedrich Hölderlins: „Hyperion“

"So kam ich unter die Deutschen. Ich forderte nicht viel und war gefasst, noch weniger zu finden. 
[...] 
Barbaren von Alters her, durch Fleiss und Wissenschaft und selbst durch Religion barbarischer geworden, tiefunfähig jedes göttlichen Gefühls, verdorben bis ins Mark [...], in jedem Grad der Übertreibung und der Ärmlichkeit beleidigend für jede gutgeartete Seele, dumpf und harmonielos, wie die Scherben eines weggeworfenen Gefäßes - das, mein Bellarmin, waren meine Tröster. 
Es ist ein hartes Wort, und dennoch sag ichs, weil es Wahrheit ist: ich kann kein Volk mir denken, das zerrissener wäre, wie die Deutschen. Handwerker siehst du, aber keine Menschen, Denker, aber keine Menschen, Priester, aber keine Menschen, Herrn und Knechte, Jungen und gesetzte Leute, aber keine Menschen - ist das nicht, wie ein Schlachtfeld, wo Hände und Arme und alle Glieder zerstückelt untereinander liegen, indessen das vergossene Lebensblut im Sande zerrinnt? 
Ein jeder treibt das Seine, wirst du sagen, und ich sag' es auch. Nur muss er es mit ganzer Seele treiben, muss nicht jede Kraft in sich ersticken, wenn sie nicht gerade sich zu seinem Titel passt, muss nicht mit dieser kargen Angst, buchstäblich heuchlerisch das, was er heisst, nur sein, mit Ernst, mit Liebe muß er das sein, was er ist, so lebt ein Geist in seinem Tun, und ist er in ein Fach gedrückt, wo gar der Geist nicht leben darf, so stoss ers mit Verachtung weg und lerne pflügen! Deine Deutschen aber bleiben gerne beim Notwendigsten, und darum ist bei ihnen auch so viel Stümperarbeit und so wenig Freies, echt erfreuliches. Doch das wäre zu verschmerzen, müssten solche Menschen nur nicht fühllos sein für alles schöne Leben, ruhte nur nicht überall der Fluch der gottverlassnen Unnatur auf solchem Volke. - 
Die Tugenden der Alten sei'n nur glänzende Fehler, sagt' einmal, ich weiss nicht mehr, welche böse Zunge; und es sind doch selber ihre Fehler Tugenden, denn da noch lebt' ein kindlicher, ein schöner Geist, und ohne Seele war von allem, was sie taten, nichts getan. Die Tugenden der Deutschen aber sind ein glänzend Übel und nichts weiter; denn Notwerk sind sie nur, aus feiger Angst, mit Sklavenmühe, dem wüsten Herzen abgedrungen, und lassen trostlos jede reine Seele, die von Schönem gern sich nährt, ach!, die verwöhnt vom heiligen Zusammenklang in edleren Naturen, den Misslaut nicht erträgt, der schreiend ist in all der toten Ordnung dieser Menschen. 
Ich sage dir: es ist nichts Heiliges, was nicht entheiligt, nicht zum ärmlichen Behelf herabgewürdigt ist bei diesem Volk, und was selbst unter Wilden göttlich rein sich meist erhält, das treiben diese allberechnenden Barbaren, wie man so ein Handwerk treibt, und können es nicht anders, denn wo einmal ein menschlich Wesen abgerichtet ist, da dient es seinem Zwek, da sucht es seinen Nutzen, es schwärmt nicht mehr, bewahre Gott!, es bleibt gesetzt, und wenn es feiert und wenn es liebt und wenn es betet und selber wenn des Frühlings holdes Fest, wenn die Versöhnungszeit der Welt die Sorgen alle löst, und Unschuld zaubert in ein schuldig' Herz, wenn von der Sonne warmem Strahle berauscht, der Sklave seine Ketten froh vergisst und von der gottbeseelten Luft besänftiget, die Menschenfeinde friedlich, wie die Kinder, sind - wenn selbst die Raupe sich beflügelt und die Biene schwärmt, so bleibt der Deutsche doch in seinem Fach' und kümmert sich nicht viel ums Wetter! 
Aber du wirsts richten, heilige Natur! Denn wenn sie nur bescheiden wären, diese Menschen, zum Gesetze sich nicht machten für die Bessern unter ihnen! wenn sie nur nicht lästerten, was sie nicht sind, und möchten sie doch lästern, wenn sie nur das Göttliche nicht höhnten! - 
Oder ist nicht göttlich, was ihr höhnt und seellos nennt? 
[...] 
Es ist auch herzzerreißend, wenn man eure Dichter, eure Künstler sieht, und alle, die den Genius noch achten, die das Schöne lieben und es pflegen. Die Guten! Sie leben in der Welt, wie Fremdlinge im eigenen Hause, sie sind so recht, wie der Dulder Odysseus, da er in Bettlergestalt an seiner Türe sass, indes die unverschämten Freier im Saale lärmten und fragten, wer hat uns den Landläufer gebracht? 
Voll Lieb' und Geist und Hoffnung wachsen seine Musenjünglinge dem deutschen Volk' heran; du siehst sie sieben Jahre später, und sie wandeln, wie die Schatten, still und kalt, sind, wie ein Boden, den der Feind mit Salz besäte, dass er nimmer einen Grashalm treibt; und wenn sie sprechen, wehe dem!, der sie versteht, der in der stürmenden Titanenkraft, wie in ihren Proteuskünsten den Verzweiflungskampf nur sieht, den ihr gestörter Geist mit den Barbaren kämpft, mit denen er zu tun hat. 
Es ist auf Erden alles unvollkommen, ist das alte Lied der Deutschen. Wenn doch einmal diesen Gottverlassnen einer sagte, dass bei ihnen nur so unvollkommen alles ist, weil sie nichts Reines unverdorben, nichts Heiliges unbetastet lassen mit den plumpen Händen, dass bei ihnen nichts gedeiht, weil sie die Wurzel des Gedeihens, die göttliche Natur nicht achten, dass bei ihnen eigentlich das Leben schaal und sorgenschwer und übervoll von kalter stummer Zwietracht ist, weil sie den Genius verschmähen, der Kraft und Adel in ein menschlich Tun, und Heiterkeit ins Leiden und Lieb' und Brüderschaft den Städten und den Häusern bringt. 
Und darum fürchten sie auch den Tod so sehr, und leiden, um des Austernlebens willen, alle Schmach, weil Höheres sie nicht kennen, als ihr Machwerk, das sie sich gestoppelt. 
O Bellarmin! wo ein Volk das Schöne liebt, wo es den Genius in seinen Künstlern ehrt, da weht, wie die Lebensluft, ein allgemeiner Geist, da öffnet sich der scheue Sinn, der Eigendünkel schmilzt, und fromm und gross sind alle Herzen und Helden gebiert die Begeisterung. Die Heimat aller Menschen ist bei solchem Volk' und gerne mag der Fremde sich verweilen. Wo aber so beleidigt wird die göttliche Natur und ihre Künstler, ach!, da ist des Lebens beste Lust hinweg, und jeder andere Stern ist besser, denn die Erde. Wüster immer, öder werden da die Menschen, die doch alle schöngeboren sind; der Knechtsinn wächst, mit ihm der grobe Mut, der Rausch wächst mit den Sorgen, und mit der Üppigkeit der Hunger und die Nahrungsangst; zum Fluche wird der Segen jedes Jahres und alle Götter fliehn. 
Und wehe dem Fremdling, der aus Liebe wandert, und zu solchem Volke kömmt, und dreifach wehe dem, der, so wie ich, von großem Schmerz getrieben, ein Bettler meiner Art, zu solchem Volke kömmt! - 
Genug! du kennst mich, wirst es gut aufnehmen, Bellarmin! Ich sprach in deinem Namen auch, ich sprach für alle, die in diesem Lande sind und leiden, wie ich dort gelitten.

Ich wollte nun aus Deutschland wieder fort. Ich suchte unter diesem Volke nichts mehr, ich war genug gekränkt, von unerbittlichen Beleidigungen, wollte nicht, dass meine Seele vollends unter solchen Menschen sich verblute. 
Aber der himmlische Frühling hielt mich auf; er war die einzige Freude, die mir übrig war, er war ja meine lezte Liebe, wie konnt' ich noch an andre Dinge denken und das Land verlassen, wo auch er war?".

Jetzt verwechseln Sie *mich bloss nicht mit diesem Menschen!
Aber nachempfinden kann *ich das schon, so manchmal, als ein-Es, das auch etwas herumgekommen ist und andere erLebens-Kulturen und Wetterarten und Handlungsarten und Freundesweisen kennen gelernt hat. Und *ich lese diesen Text auch als: "vor dem Dritten Reich", *ich bin ja nun auch ein-Es derJeniges, das gerne Wissen und Ergründen möchte: Warum Hier und Warum so Viele.

Da lastet Etwas in Uns deutschen Menschen und das möchte entlastet sein, aber das nur am Rande. Ich frage beim Lesen dieses und vieler anderer Heimkehrer-Texte auch einen Verlust heraus, einen Verlust der Eigenheit, einen Verlust der Vielfalt.
Warum wollen Wir deutschen Menschen nicht mehr so herzergreifend Leiden und mit dem Deutsch-daSein so unerquicklich unzufrieden sein, warum wollen Wir deutschen Menschen die grunzende Selbst-Bemitleidung so dringend aufgeben, warum den stechenden Selbst-Hass aufgeben? Ich frage Sie, als deutsches oder anderes Mensch, warum sollen Wir das aufgeben, es hat Uns doch bisher so deutlich geziert, oder etwa nicht?

HerrGott noch mal, ich mag das, mich als deutsches Mensch ewig um den Schmerz bekümmern, täglich ein wenig über das vergangene Leid wimmern und Alle anderen um deren anders-daSein beneiden, ausser vielleicht Sie sind Afrikaner, oder Afghane, oder Bengale ... aber sonst.

Ist das Bohren in der Tiefe nicht etwas typisch Deutschöstereichisches, ist das nicht vielleicht sogar unsere Aufgabe im DaSein, die Tiefenbohrung, es sind doch schon genug ander-Es dabei in der Nähe oder der Weite herumzustreifen, des deutschen Menschen Frust ist es also tiefer zu gehen und noch ein wenig tiefer in das Leiden des Mensch-Seins, nicht etwa in die Freuden, Nein, das überlassen Wir den Briten, Nein Wir bohren in den Schmerz, immer tiefer, aber ...

Tja, gehts noch? Kommen Sie mal wieder hoch hier, Hierher, bitte. Schauen Sie mal zurück, in das Loch, das Sie da mit *mir nun gebohrt haben ...
Sehen Sie das? Mhh? Aber *ich Bitte Sie, Sie sehen doch wohl das Licht dort unten, Sie sind doch schon fast durch gewesen, fast wären Sie hinausgefallen, so einfach hinaus aus dem Leiden, das geht doch nicht, ist doch schon genug, jetzt bleiben Sie mal hier und machen eine längere Pause, genug gebohrt, reicht schon ... einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen, wollen Sie was trinken, vielleicht ein Nutella-Brot?

Es bleibt die Frage: Wenn das deutsche Mensch nicht mehr unzufrieden sein darf, nicht mehr nur Zweiter sein darf, nicht mehr tiefer sein darf, als selbst die russischen Menschen es noch sind, was bleibt dann noch Deutsch, sind Wir irgendwann alle US-amerikanische Menschen, voll mit der Zukunft versöhnt, voll bewaffnet und abgeschnürt von der Herkunft?
Fortsetzung folgt.