Sonntag, 26. Februar 2012

Ohne Erwartungen

Haben Sie noch Erwartungen?
Na, ich habe keine mehr!
Das war aber ein langer Erkenntnis- und Gefühlsumbauprozess. Ich bin ja nun kein Lebensberatungsonkel, aber ich möchte etwas dokumentieren und für mich persönlich festhalten, und lasse Sie gerne daran teilnehmen, falls Sie es wünschen. Hier geht es also um einen über 10 Jahre währenden Selbst-Erkenntnisprozess und die langsame Abarbeitung einer Blockade und die Änderung eines "weiterlaufen-lassens", in eine für mich falsche Richtung.
Beim Thema "Erwartungen" denke ich auch an die sogenannte 'self fullfilling Prophecy', im Deutschen also an die 'sich selbst erfüllende Prophezeiung', die mir persönlich von meiner Mutter übertragen wurde, die voll von Erwartungen war und sie waren alle zum Fürchten. Hier also meine Erkenntnisse zu diesem Thema.
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Max Beckmann, "Die Nacht", ein Schreckensbild.
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Aus einem Brief an einen Freund (2003):

Wir diskutierten über Erwartungen, und Er bat mich meine Gedanken und Informationen dazu zu ordnen. Es war auch eine sprachliche Erkenntnis.

warten: Das altgermanische Verb mhd. 'warten', ahd. 'wartên' "ausschauen, aufpassen, erwarten", ist von dem unter 'Warte' ("Ort der Ausschau") behandelten Substantiv abgeleitet. Es bedeutet also eigentlich "Ausschau halten". Heute ist es auf die Bedeutung "Kommendem entgegen sehen" eingeschränkt.
erwarten = "auf jemanden, etwas warten, einer Sache entgegensehen, für wahrscheinlich halten; erhoffen, sich versprechen". (aus dem Herkunfts-Duden, 2. Aufl. 1997)

Woher kommen die Erwartungen?

Erwartungen sind für mich, die tagesaktuelle Summe der Eindrücke/Erlebnisse von der bereits vergangenen Lebendigkeit. Erwarte ich also Jetzt, Aktuell, Enttäuschung und Schmach, kommen genau aus diesem Bereich, die häufigsten Erlebnisse der persönlichen Vergangenheit. Es ist also quasi die Vergangenheit in die Zukunft projiziert.

Erwartung ist aber nicht nur ein Ergebnis, sondern eben auch Zielrichtung. Erwartung steuert nämlich dummerweise auch noch das Verhalten. Die Erwartungs-Haltung ist also eine unbewusste Ausrichtung auf ein "Ziel".

Das blödeste und zugleich perfideste, ist aber folgende Tatsache: Anfangs hat ein Individuum keine Wahl, wird einfach in ein Situation hineingeboren, Hilf- und Alternativlos, ohne Erfahrung, und wenn es dann die Wahl hätte, hat es eine Erwartungshaltung!

Insofern ist das Leben ein Kreislauf, wie ein ödes Hamsterrad. Immer dasSelbe. Oder auch wie ein Zug, der auf Schienen gesetzt, immer diesen Schienen folgen muss. Statt wie ein Fahrrad, oder zu Fuss, auch mal Querfeldein fahren/stiefeln zu können/dürfen. 

Blöd gelaufen, wenn es Blöd gelaufen ist.

Wäre da nicht genau die Erkenntnis, dass es eben eine Summe, ein Ergebnis aus Einzelereignissen ist.
Somit also Veränderbar!!! Juhuu!!!
Wie heisst es so schön: Nix is fix.
Voraussetzung, die Erwartungen zu ändern, ist also entweder das Glück in positive Umstände zu geraten, oder eben das Wissen um die Herkunft und die Wirkung von Erwartungen und die aktive Neuausrichtung und Veränderung derselben.
Am besten, ist klarerweise beides.

Ich habe beides: Ich habe das Glück ein Mensch zu sein, und bin deshalb auch zu dieser Erkenntnis fähig und inzwischen auch in der Lage. Aber kurz nach der Erkenntnis, kam erst einmal ein Schock!

Ich begann, all die Ereignisse und Eindrücke zu zählen, die zu dem Ergebnis, also der ErwartungsHaltung, geführt haben. Es war eine riesige Summe: Millionen. Dann realisierte ich langsam, wie viele neue Ereignisse und Eindrücke also nötig sind, um das Ergebnis deutlich zu verändern: Millionen.

Schock!!!

Niederschlag.

Aufgabe.

Hoffnungslosigkeit. Am Ende: Depression.

Das dauert ja ewig!
Das schaff ich nie.

Wo bekomme ich denn all die positiven Erlebnisse her?
Woher nehme ich die Geduld?
Also irgendwann einmal die Einsicht: Es bleibt doch alles beim alten. Und das, noch bevor ich den ersten Stein den Berg hinauf geschoben hatte.

Nein! Nein! Nein! Das kann es nicht sein!?

Ich war einfach nicht bereit, schon vor dem ersten Spatenstich, den Spaten wieder wegzustellen. Auch wenn das Ergebnis unerreichbar schien.

Aber Schein ist nicht Sein.

Also habe ich es angepackt. Schwitz!
Und es ist wirklich so. Von Erlebnis zu Erlebnis, ist die Erwartung eine andere. Aber es dauerte verdammt lang, bis ich etwas davon bemerkt habe!
Jahre.
Jahr um Jahr, Schritt für Schritt, ein klein wenig angenehmer.

Geduld, ist die Einsicht in die Veränderbarkeit von Umständen, aber auch in die Vielzahl (manchmal auch Unzahl) von Einzelereignissen, Schritten, die dazu nötig sind.
Ich bin immer noch nicht sehr geduldig, obwohl ich davon weiss.

Inzwischen denke ich, dass eine Erwartungshaltung immer nur aus überwiegend schmerzhaften Erfahrungen und Umständen heraus entsteht. Denn Erwartung ist die Verhinderung von Spontaneität.
Ein ausgeglichenes Lebewesen agiert innerhalb des gesamten möglichen Empfindungs-Spektrums, in jedem Augenblick, ohne jeglichen Vorbehalt, also auch ohne jegliche Erwartung.

Erwartung ist also Be-, Einschränkung, wenn nicht gar Festlegung. Für mich lautet also inzwischen das Ziel: Erwartungslosigkeit.

Besser, weil positiv formuliert: Spontaneität!

Aber soweit bin ich noch nicht, wie Du aus den Vorbemerkungen längst weisst. 

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