Dienstag, 5. Juni 2012

Von der Wahrnehmung der Wirklichkeit

Da *ich ein Mensch bin, der mit grosser Unbedingtheit der Wirklichkeit auf die Spur kommen möchte, - lesen Sie dazu auch den Beitrag "Die Erregung der Schönheit", vom Mai 2012 -, und wenn ich denn auf der Spur bin, auch der Wirklichkeit ansichtig werden möchte, Nein, Halt!, ich habe den Satz falsch angefangen, denn, ich bin selbstverständlich in der Wirklichkeit, ich bin auch Wirklichkeit, deshalb stehe *ich ja nicht ausserhalb und kann einer aussenstehenden, einer aussen-seienden Wirklichkeit auf die Spur kommen, sie also suchen, verfolgen und dann sehen, das sind falsche Verben und falsche Bilder.

In Wirklichkeit (ja!) möchte *ich die Fehlstellungen in den Sinnen korrigieren, die ein falsches oder verzerrtes Bild von/in der Wirklichkeit, in Oliver-August Lützenich erregen/erzeugen. Und *ich möchte diese Sinne, die vielleicht erst ein SELBST, ein einziges Individuum ausmachen, zumindest mit-ermöglichen, beständig erweitern: sowohl nach Aussen, als auch nach Innen. Das Gespür, die Wahrnehmung, die Sinne, also drei Begriffe für ein System von Rezeptoren, die, in Jedes Selbst, sowohl nach Innen in die Gefühle und Gedärme hineinspüren, als auch in die nahe und ferne Umgebung hinausspüren, so empfinde *ich das.

Ein wenig persönl*iche Philosophie.
Warum machen die Sinne, die Wahrnehmung, vielleicht erst ein unterscheidbares Selbst aus?
Weil die Wahrnehmung einen Ort braucht, an dem das Wahrgenommene, von den Sinnen, zusammengeführt wird und erst dort ein EinzelErgebnis ergibt. Zum Beispiel ein LebeWesen, und darin auch einen Menschen. Etwas Wahrnehmen ist immer Abgrenzung, ist immer Vereinzelung, ist Besonderheit. 

Das SEIN nimmt nicht als Ganzes wahr, es IST. Um etwas in Unterscheidung zu etwas Anderem zu spüren, zu fühlen, braucht es Abstand, Distanz, also mehrere Orte. Das SEIN ist, so philosophiere *ich das, ein Einziger ORT, ohne Besonderheit, ohne Verschiedenheit, um diese zu schaffen, braucht es die RaumZeit. Das SEIN hat somit das DaSein "abgesondert" (*ich verwende diesen Begriff dabei ganz nüchtern, ohne die schmerzliche Aufladung, die das Begriff im Alltagsgebrauch enthält. Obwohl *ich selbstverständlich nicht weiss, ob diese Absonderung des DaSein im SEIN, für das SEIN nicht doch auch schmerzhaft ist?), um die Wirklichkeit zu fühlen und zu spüren; und damit Auch ES SELBST. Wenn das SEIN es fühlen und wissen wollte, brauchte ES Distanz und etwas Anderes, die Frage ist somit, woher hat das SEIN, das ALLES ist, das Fremde hergenommen oder auch geschöpft?

Das braucht noch weitere Ausführungen und Verfeinerungen, aber mir ging es Heute nur um einen Artikel, um eine Bemerkung, die das eingefahrene Denken, die das vertraute, das gewohnte DaSein in Frage stellt, somit Anreiz zum Nachfragen, Entrümpeln und vielleicht zur NeuOrientierung ist. Gerade in einer so aufgeladenen RaumZeit wie der aktuellen. Der Artikel folgt nach dem Gemälde und ich werde meine Gedanken dazu auch noch weiter ausbauen, hier und in anderen Beiträgen.

Zum Gemälde.

William Turner malte und zeichnete hervorragend und Augengetreu, aber Er merkte, wie andere Zeitgenossen auch und fast alle grossen Nachfolger, dass dieser Augeneindruck nur Eines von vielen Angeboten des Wirklichkeit ist, Es (das Wirklichkeit. Oder braucht Wirklichkeit ein (grammatikalisches) Geschlecht?) wahrzunehmen, Es anzunehmen und zu interpretieren, und Er versuchte, in diesen reinen SehEindruck, die anderen SinnesEindrücke, auch die im Inneren, mit hineinzumischen, also das Gefühl, die innere Stimmung, und das Gespür, die äussere Stimmung.
Wenn William Turner das einigermassen gelungen ist, sind seine Gemälde (mich fast) überwältigende Meisterwerke.
Hier also eines davon:
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William Turner, "Norham Castle, Sunrise"
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Aus der Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom 26. Mai 2012.
Von Jens-Christian Rabe.

Titel: "Schnelles Denken, langsames Denken" Misstraue dem Vertrauten!

Daniel Kahnemann liefert mit "Schnelles Denken, langsames Denken" das Buch zur Bewegung: Warum man mit den Lehren der Verhaltensökonomie die Piratenpartei verstehen kann.


Die Bücher heißen "Fallstricke", "Raus aus der Grübelfalle!" oder "Die Kunst des klaren Denkens", sie stehen auf den Bestsellerlisten weit oben, in den Buchhandlungen direkt neben der Kasse und sie kennen den Weg zum besseren Leben. Aber sie wollen keine lebenspraktischen Allerweltsratgeber mehr sein, keine öden Oden auf den gesunden Menschenverstand. Diesmal nicht. Diesmal werden mit den Erkenntnissen aus der wissenschaftlichen Verhaltensökonomie und Psychologie ungnädig unsere alltäglichen Denkfehler enttarnt.

Am weitesten hat es damit hierzulande bislang der schweizer Unternehmer und Autor Rolf Dobelli gebracht. Seine so nüchterne wie lehrreiche Kolumnensammlung "Die Kunst des klaren Denkens - 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen" steht seit Monaten auf der Spiegel-Sachbuch-Bestsellerliste ganz weit vorne. Wie so viele Ideen in der Kategorie "Populäres Sachbuch" ist auch diese ein amerikanischer Import. Die Vorbilder stammen von Cass R. Sunstein, Richard H. Thaler oder Jonah Lehrer.

Allen gemeinsam ist, dass sie gegen das in der westlichen Wirtschaftswissenschaft noch immer erstaunlich mächtige Paradigma des Menschen als animal rationale - also als stets vernünftiger, unter Berücksichtigung aller verfügbaren Informationen kalkulierender Nutzenmaximierer - das animal irrationale in uns betonen. Sie sind Psycho-Detektive, immer auf der Suche nach systematischen Fehlern des Urteilens und Handelns.

Sie fragen sich, warum etwa Fußballtorhüter beim Elfmeter zu 50 Prozent nach rechts und zu 50 Prozent nach links springen, obwohl die Schützen zu einem Drittel nach rechts, zu einem Drittel nach links und zu einem Drittel in die Mitte zielen (weil der Keeper im Falle eines Tors besser aussieht, wenn er irgendwohin gesprungen und nicht nur regungslos herumgestanden ist - das ist der sogenannte "Action Bias", der leider auch bei der Geldanlage ein große Rolle spielt).

Warum der Mensch umso stärker an einer Aktie festhält, je mehr er mit ihr verloren hat (weil wir glaubwürdig erscheinen wollen und deshalb Widersprüche scheuen). Oder warum wir für etwas, das wir besitzen, beim Verkauf mehr Geld verlangen, als wir selbst bereit wären, dafür auszugeben (weil wir Dinge, die wir besitzen, als wertvoller empfinden als Dinge, die wir nicht besitzen - die Wissenschaft spricht dabei vom "Endowment-Effekt").

Der Erfolg, den die Denkfehler-Detektive, deren Daten manchmal schon 30 Jahre alt sind, gerade jetzt haben, dürfte alles andere als Zufall sein. Die Wirtschaftskrise wurde von so gut wie allen bis dahin für kompetent gehaltenen Beobachtern schlicht nicht vorhergesehen. Die Krise ist deshalb viel mehr als nur ein wirtschaftliches und politisches Unglück. Sie ist vor allem eine kollektive intellektuelle Kränkung. Eine gigantische Menge scheinbar sicheren empirischen Wissens erscheint plötzlich vollkommen falsch. Seither steht das gesamte "System" in Frage und systemkritische Bewegungen wie Occupy oder die Piratenpartei profitieren davon.

Wer nun das seit wenigen Tagen auf Deutsch erhältliche, eindrucksvolle Buch "Schnelles Denken, langsames Denken" (aus dem Englischen von Thorsten Schmidt. Siedler Verlag, München 2012, 610 S., 25 Euro) von Daniel Kahneman liest, dem wird umso deutlicher, dass die Verhaltensökonomie derzeit eine komplette Revision unseres Problemlösungsgewohnheiten vornimmt. Mit dem 78-jährigen israelisch-amerikanischen Psychologen betritt jetzt also auch der wichtigste und berühmteste der Zunft das Feld. 2002 erhielt er für die gemeinsam mit seinem bereits 1996 verstorbenen Freund und Forschungspartner Amos Tversky entwickelte "Prospect Theory" den Wirtschaftsnobelpreis.

Die 1979 konzipierte "Prospect Theory" oder "Neue Erwartungstheorie" bewies entgegen den Lehrmeinungen der Wirtschaftswissenschaft, dass der Mensch Verluste stärker verabscheut, als er Gewinne liebt. Wenn wir eine Entscheidung treffen oder ein Problem lösen sollen, dann sind wir demnach keine rein rationalen, nüchternen Nutzenmaximierer. Entscheidend ist weniger das Problem an sich, sondern unsere Wahrnehmung des Problems.
Jargonfrei erzählt, detailreich, aber anschaulich

Die "Neue Erwartungstheorie" wird im Buch natürlich ausführlich erklärt. "Schnelles Denken, langsames Denken" ist in vierzig Kapiteln, die jeweils von einem wichtigen Forschungsergebnis handeln, aber nicht nur die Geschichte eines einzelnen Forscherlebens, sondern so etwas wie eine Enzyklopädie der gesamten Verhaltensökonomie geworden.

Dabei ist es jargonfrei erzählt, detailreich, aber anschaulich, mit vielen persönlichen Anekdoten, fast leichtfüßig. So leichtfüßig, dass der Autor das Buch beinahe gar nicht fertig geschrieben hätte. Er mochte es zunächst nicht, befürchtete, es werde seinen Ruf ruinieren. Erst das wohlwollende Urteil von vier Experten, die er das Manuskript für je 2000 Dollar anonym begutachten ließ, bewegte ihn zur Fertigstellung. Was für ein Glück. Auf beinahe jeder Seite liest man von psychologischen Experimenten, Gedankenspielen und Statistiken, die Verblüffendes über die Unzuverlässigkeit unserer Intuitionen ans Licht gebracht haben, über Selbstüberschätzungen, die unterschätzte Bedeutung des Zufalls und darüber, wie kurze negative Erfahrungen unsere Erinnerung nachhaltig trüben, wenn sie sich nur zum richtigen, also falschen Zeitpunkt ereignen - also am Ende von Erlebnissen.

Man erfährt, wie stark der sogenannte "Ankereffekt", tatsächlich wirkt. Ein Experiment Kahnemans und Tverskys ergab etwa, dass bei der Schätzung des Prozentsatzes afrikanischer Staaten in der UN die Höhe der Antworten massiv davon beeinflusst werden, welche Zahl ein Probant kurz vorher an einem Glücksrad gedreht hat. Je höher die Zahl am Glücksrad, desto höher danach der geschätzte Prozentsatz afrikanischer Staaten in der UN. Weniger harmlos klingt es, wenn Kahneman berichtet, dass in einem Experiment erfahrene deutsche Richter eine Ladendiebin zu einer höheren Haftstrafe verurteilten, wenn sie zuvor eine hohe Zahl gewürfelt hatten.

Zeitdiagnostisch virulent wird es dort, wo Kahneman der "Kompetenz-Illusion" der Wertpapierhändler in einer Vermögensberatung auf den Grund geht: Die Händler "selbst sahen sich als kompetente Fachleute, die einer seriösen Arbeit nachgingen, und ihre Vorgesetzten sahen das genauso". Tatsächlich ergab die statistische Auswertung ihrer Erfolge, dass sie ein reines Zufallsspiel spielen. Wahrhaben wollten sie es nicht. Kahnemans lakonischer Schluss: "Die Kompetenz-Illusion ist nicht nur ein individueller Urteilsfehler; sie ist tief in der Kultur der Wirtschaft verwurzelt. Tatsachen, die Grundannahmen infrage stellen - und dadurch das Auskommen und die Selbstachtung von Menschen bedrohen -, werden einfach ausgeblendet."

Bei der Frage, wann "man einem erfahrenen Fachmann trauen kann, der behauptet, eine sichere Intuition zu haben", ist man schließlich natürlich schnell in der deutschen Gegenwart - und bei der Piratenpartei angekommen. Die Antwort Kahnemans lautet: Nur wenn es in der für seine Expertise relevanten Umgebung des Experten stabile Regelmäßigkeiten gibt. In der Finanzwelt oder auch der Politik sei das nicht der Fall. Ereignisse in diesen Sphären seien grundlegend nicht vorhersehbar.
Im Zentrum: Misstrauen

Die ostentative Weigerung der Piraten, Politik wie alle anderen als ein Spiel zu begreifen, in dem geschmeidige Überzeugungen und Überredung den Status Quo erhalten wollen, hat genau hier ihre Rechtfertigung. Die etablierte Politik will sagen: Lieber Wähler, alles in allem können Sie dem Vertrauten trauen. Die Lektion der Verhaltensökonomie lautet dagegen: Misstraue dem Vertrauten! Und ihr Versprechen - womit wir auf der schattigeren Seite des Phänomens sind - ist, dass so etwas wie eine ideologiefreie Ideologiekritik möglich ist. Aufklärung wäre dann kein moralisches Problem mehr, sondern ein Trick zur Selbstverbesserung, zu dem der Mensch eben auch gezwungen werden kann.

Mit anderen Worten: Wenn der amerikanische Anthropologe David Graeber mit seinem Buch "Schulden - die ersten 5000 Jahre" das Buch zur Occupy-Bewegung geschrieben hat, dann hat Daniel Kahneman das Buch für die Piratenpartei geschrieben. Im Zentrum ihrer Mentalität steht genau diese, für das Zeitalter des Internets typische, eher passiv-aggressive Haltung: Misstrauen. Vor allem gegenüber sämtlichen Autoritäten, die die Krise gerade so brutal desavouiert hat. Die Piraten wissen selbst noch nicht allzu viel, aber eines - daraus übrigens speist sich die merkwürdig unpolitische, auch autistische Arroganz, die das Establishment in jeder Talkshow wieder auf die Palme bringt - eines wissen sie genau: Die anderen wissen sehr, sehr viel weniger, als sie selbst zu wissen glauben.
Schau nach bei Daniel Kahneman!

Ende Artikel.
Guten Tag. 

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